3. Ein Exkurs zum Thema: Der gute Hirte und die Opferideologie

Die Rede des guten Hirten findet sich auch in JohEv 10,11: “Ich bin der gute Hirte.” Die Reihenfolge der Hirtenrede Jesu könnte wie folgt sein (wenn Kap.10 zu Kap.9 gehört: JohEv 9,41;) JohEv 10,11-13; 1-10, 14-18, 27-30 (so schon Bultmann). Die Rede ist vom AT her bekannt: Psalm 23:”Der Herr ist mein Hirte”. In JohEv 10 soll der Hirtentext selbst Ausdruck des Selbstverständnisses Jesu sein. Die Herde sei nicht der Staat oder ein bestimmtes Volk, sondern die Seinen, also die, die auf seine Stimme hören. Der Hirte wird in ontologischer Dimension beschrieben, die wir fassen können als “sein für andere”. Im Text ist jedoch bereits die Verarbeitung des Todes Jesu erkennbar. Es ist also auszuschließen, daß Jesus das selbst gesagt haben könnte. In der kirchlichen Entwicklung wird das Bild auf die Gemeinde übertragen, der Pastor als Hirte. Er ist der Gemeindeleiter mit entsprechend heiliger Atmosphäre.

Religionsphänomenologisch ist das Hirtenbild stets verbunden mit dem Bild eines Herrschers: Gute Herrscher sind zugleich gute Hirten (daß David auch ein Hirte gewesen sein soll, im Unterschied zu Saul, bedarf dann kaum einer Erwähnung mehr).

Im Alten Orient hatte das Hirtenbild unterschiedliche Ausprägungen. Tammuz, der Hirten- und Vegetationsgott, ist zur Zentralfigur für das Bild des guten Hirten geworden. Von dort gelangte das Bild auch ins Griechentum (seit Homer ist Herrscher und Hirte identisch) [und z.B. nach Österreich: Dort wird ein Baum in den Bach geworfen, um den Frühling wieder in den Bach zu bringen. Sie nennen das den Grünen Georg (Tammuz)].

Mit dem sumerisch-babylonischen Fruchtbarkeitsgott Tammuz hat die Christusüberlieferung außerdem folgendes gemeinsam:

  1. die Mutter ist Jungfrau und lebt mit einem Ziehvater zusammen
  2. Geburt im Notquartier
  3. Verfolgung und Flucht der Eltern nach der Geburt
  4. Sterben des Sohnes mit der Totenklage der Mutter und das Verweilen des Sohnes in der Unterwelt (“niedergefahren zur Hölle” oder in neuerer Sprache “hinabgestiegen in das Reich des Todes”)...